Mutterglück mit Tränen - Wenn die Glücksgefühle ausbleiben

 

"Eigentlich sollte ich glücklich sein", lautet die vorwurfsvolle innere Stimme bei zirka einem Drittel junger Mütter, bei denen sich das Glück über das zuvor geborene Kind noch nicht eingestellt hat. Oftmals können sie sich nicht erklären, warum sie sich niedergeschlagen und überhaupt nicht glücklich fühlen. Und wem kann man schon erzählen, dass man unglücklich ist, obwohl man gerade Mutter geworden ist und dass Umfeld selbstverständlich eine glückliche Mutter, ein glückliches Paar, erwartet? Möglicherweise handelt es sich um eine Postpartale Depression. Vielleicht kommen Ihnen einige Aussagen bekannt vor:

  • Mutterliebe ist selbstverständlich und sofort da, wenn das Baby geboren wird.
  • Sobald man Mutter wird, tritt das Glück umgehend ein.
  • Eine gute Mutter weiß immer, was ihr Baby braucht.
  • Eine gute Mutter hat keine negativen Gefühle ihrem Baby gegenüber
  • Ein Baby macht eine Partnerschaft perfekt.

Warum Frauen im Verborgenen leiden

Kein Wunder, dass sich diese Frauen als Versagerinnen fühlen. Bei anderen Müttern klappt doch auch alles wie gewünscht, nur bei mir ist alles anders, lauten die Selbstvorwürfe. Viele Frauen verschweigen ihre Gefühle und versuchen den Erwartungen ihres Umfeldes zu entsprechen, was häufig zu einem enormen Kraftakt wird und die innerliche Situation noch verschlechtert. Wie soll man denn erklären, dass die Elternschaft vielleicht nicht das lusterfüllte und glücklich machende Ereignis ist, das man sich vorgestellt hatte? Erst Recht wenn man die Familienplanung hinausgezögert hatte, um die besten Bedingungen für den Zeitpunkt der Familiengründung herzustellen. Wie kann es dann sein, dass man in der neuen Mutterrolle nicht das Glück erfährt, worauf man sich vorbereitet und gefreut hatte?

 

Postpartale Stimmungskrisen: Baby-Blues, Depression oder Psychose?

Nachgeburtliche Stimmungskrisen können in unterschiedlicher Intensität auftreten und unterscheiden sich in ihrem zeitlichen Auftreten.

Der "Baby-Blues" ist die leichteste und häufigste Form der postpartalen Stimmungskrisen und tritt bereits in den ersten Tagen nach der Geburt auf. Betroffen sind davon zwischen 40 und 80% der Frauen. Obwohl die Gefühlslage unangenehm ist benötigt es keine Behandlung, da die Stimmung rasch wieder steigt. Man sieht den Baby-Blues als natürliche Folge der Niederkunft an. Anzeichen für einen Baby-Blues sind:

  • Weinen ohne wirklichen Grund
  • Angstgefühle
  • Sorgen um die Gesundheit des Babys
  • Erschöpfung, ohne jedoch schlafen zu können
  • Reizbarkeit und Aggressivität
  • Konzentrationsstörungen

Das Stimmungstief ist Teil eines Anpassungsprozesses auf ein neues Leben, ebenso braucht der Hormonhaushalt nach der Geburt Zeit, um sich wieder zu regulieren. Die Schwangerschaftshormone werden vom Körper verarbeitet und die Gefühle könnten in Folge dessen einige Berg- und Talfahrten durchmachen. Das Bewusstsein für die neue Verantwortung, die man für das Baby hat, kann die Mutter überwältigen. Die Realität dessen, was Elternschaft eigentlich bedeutet, wird vermutlich in den Tagen klar, wenn mit dem Baby die Klinik verlassen wird und die erste Zeit alleine zuhause ansteht.

Wichtig ist eine verständnisvolle Umgebung die der frischgebackenen Mutter Ruhe und Zuspruch zukommen lässt, als auch das Gefühl, das dies ein völlig normaler Vorgang im Leben ist. Die Symptome sind von der postpartalen Depression kaum zu unterscheiden, lediglich die Dauer der Symptome machen den Unterschied.

Halten die Symptome mehr als zwei Wochen an, liegt der Verdacht einer postpartalen Depression nahe.

 

Die postpartale Depression (Nachgeburtliche Depression)

Da betroffene Mütter oftmals dazu neigen die Fassade der glücklichen Mutter aufrecht zu erhalten, ist die postpartale Depression für Außenstehende schwer erkennbar. Die Symptome entwickeln sich häufig schleichend. Typische Symptome sind:

  • Erschöpfung: Chronische Müdigkeit, Energielosigkeit, Geistige und körperliche Erschöpfung.
  • Stimmungsschwankungen: Die Gefühlslage wechselt innerhalb kurzer Zeit ins Gegenteil
  • Traurigkeit: "Es ist doch alles zum weinen", "Nichts macht mir Freude"
  • Antriebslosigkeit, Leere: Vernachlässigung des Kindes, Selbstvernachlässigung, inneres Leergefühl
  • Mangelndes Selbstvertrauen: "Ich glaube nicht, dass ich das schaffe eine gute Mutter zu sein."
  • Schuldgefühle: "Ich bin wohl schuld, dass mein Baby so unruhig ist."
  • Appetitstörungen: Appetitlosigkeit oder gesteigerter Appetit
  • Schlafstörungen: "Ich bin so müde und kann dennoch nicht schlafen."
  • Zwiespältige Gefühle dem Kind gegenüber: "Ich kann dich gerade nicht lieben, aber ich müsste."
  • Sexuelle Unlust: Abneigung gegen Berührungen und Zärtlichkeit, mangelnde Lust an der Zweisamkeit
  • Ängste, Panikattacken: "Ich habe Angst, dass meinem Kind etwas zustößt", "Ich habe Angst verrückt zu werden, die Kontrolle zu verlieren"
  • Zwangsgedanken, Zwangsimpulse: "Ich habe Angst mein Baby zu verletzen". "Ich gehe nicht aus dem Haus, das Baby könnte schreien"
  • Sozialer Rückzug: Soziale Kontakte werden gemieden, da dies eine große Anstrengung darstellt, z.B. Gespräche zu führen
  • Körperliche Beschwerden: Psychosomatische Beschwerden wie z.B. Schwindel, Kopfschmerzen, Herzbeschwerden, Muskelverspannungen, Hitzewallungen, Haarausfall, Gewichtszunahme. Weitere Symptome können bei einer Panikattacke hinzukommen.
  • Bei schweren Formen auch Selbstmordgedanken

Das „Heimtückische“ an der postpartalen Depression ist, dass sie bis zu einem Jahr nach der Geburt auftreten kann. Deshalb bleibt sie oft auch unbehandelt, weil der Zusammenhang zwischen Krankheit und Auslöser meist nicht mehr erkannt wird. Um eine postpartale Depression auszulösen, müssen in der Regel mehrere Ursachen zusammen kommen. Das bedeutet auch, dass die Krankheit auf verschiedenen Ebenen behandelt werden sollte. Gewisse Ursachen können gleichzeitig auch als Symptome der Krankheit auftreten, z.B. ein gestörter Schlaf, so dass nicht immer einfach zu unterscheiden ist, was Ursache und was Folge ist. Den betroffenen Frauen macht dies unnötig das Leben schwer. Die Belastungen wurden von Betroffenen Frauen folgend beschrieben:

  • Ich dachte, ich würde den Verstand verlieren.
  • Ich war voller Scham und Ekel.
  • Ich weinte ununterbrochen, brüllte meinen Mann an, konnte kaum essen oder schlafen und wollte am liebsten sterben.
  • Ich sah keinen Sinn darin, morgens aufzustehen, obwohl ich ein Baby hatte, welches ich zu versorgen hatte.
  • Ich hatte Angst mit dem Baby raus zu gehen, was ist wenn es schreit?

Die Geburt eines Babys kann sich als Herausforderung für die Frau als auch das Paar zeigen. Der Neuankömmling steht im Mittelpunkt, alles dreht sich um seine Bedürfnisse. Die Mutter muss ihren gesamten Alltag auf das Kind einstellen und die eigenen Bedürfnisse zurückstellen. Mal eben zum Laden gegenüber hinüberlaufen, gemütlich in die Badewanne gehen weil man erkältet ist, Freunde treffen... All dies ist geht nur noch mit Zeiteinteilung und Arrangements. Diese Beschränkungen der Persönlichkeit und der Freiheit einer Frau kann durchaus eine große Beeinträchtigung darstellen. Ebenso ist der Partner bzw. die Beziehung gefordert. Die Aufmerksamkeit, die man vorher durch zwei geteilt hat, wird von einen weiteren Menschen mit beansprucht. Dies fordert eine neue Einstellung auf die Situation, eine Abstimmung des Beziehungslebens. Die junge Familie muss sich neu aufstellen. Diese Veränderung benötigt Zeit und Geduld als auch Verständnis und Mitgefühl.

 

Die Postpartale Psychose

Die postpartale Psychose kommt relativ selten vor und zeichnet sich durch einen offensichtlichen Realitätsverlust und Wahnvorstellungen aus.

Sie tritt meist innerhalb von drei Tagen nach der Geburt des Kindes auf, kann sich aber in seltenen Fällen aus einer postpartalen Depression entwickeln.

Da eine hohe Mord- und Selbstmordneigung besteht, darf die Betroffene keinesfalls mit sich Selbst oder dem Baby alleine gelassen werden.

Eine ärztliche Behandlung muss sofort in Anspruch genommen werden. Typische Symptome sind:

  • Starke Persönlichkeitsveränderungen: Gefühlte von Entfremdung der eigenen Person oder der Umgebung
  • Realitätsverslust: Denken und Handeln zeigt sich irrational und verwirrt. Vollständig klare Gefühle können abrupt zu Verwirrung wechseln und umgekehrt.
  • Antriebssteigerung: Größenwahn, übersteigerte Glücksgefühle und Überschwänglichkeit, hoher Energielevel
  • Wahnvorstellungen: Leben in einer Fantasiewelt, die eigene Identität und die des Kindes kommen abhanden, möglich sind rituelle Handlungen und Zwangsfantasien

 

Erkennen Sie sich in einer oder mehreren Aussagen des Artikels wieder? Dann sollten Sie auf jeden Fall offen mit einer Person Ihres Vertrauens darüber sprechen. Oft hilft es schon, dass einem jemand zuhört und man sich alles von der Seele reden kann. Welche Behandlungsmethode für Sie die richtige ist, hängt von der Art und Schwere Ihrer Symptome ab. Dazu muss als Erstes eine gründliche medizinische und psychologische Untersuchung durchgeführt werden. Psychotherapie zielt darauf ab, mit der Betroffenen Strategien zu erarbeiten, mit denen sie ihre neue Lebenssituation besser meistern kann. In akuten Fällen ist eine medikamentöse Behandlung erforderlich, sollte jedoch nie die einzige Behandlungsmethode sein. Wenn eine Frau nach der Geburt Probleme hat, kann jede/r in ihrer Umgebung mithelfen, damit sie sich wieder besser fühlt. Ganz wichtig dabei ist, sie nicht zu verurteilen! Selbst wenn Sie ihr Verhalten nicht verstehen, wenn Sie sich darüber ärgern oder wenn Sie sich hilflos fühlen – unter Druck setzen bringt niemandem etwas. Vermeiden Sie daher auch gute Ratschläge wie „Reiß dich doch zusammen“ oder versteckte Vorwürfe wie „Du musst doch glücklich sein“. Das verletzt die betroffene Frau und signalisiert ihr fälschlicherweise, dass sie selbst schuld an ihrer Situation ist. Wenn Sie Unterstützung anbieten wollen, bieten Sie Hilfe an ohne sich aufzudrängen. Die Betroffene kann uns soll ihre Entscheidungen alleine treffen und muss nicht bevormundet werden. Geben Sie ihr Zeit, damit sie sich an die neue Lebensphase gewöhnen kann und fragen Sie nach, was sie gerade am besten gebrauchen kann. Mit Verständnis und kleinen Unterstützungen im Alltag, als auch einen eventuellen Hinweis auf fremde, professionelle Hilfemöglichkeiten können Sie der betroffenen Frau bereits ein wenig Entlastung schaffen.

 

Weiterführende Literatur: Carol Dix - Eigentlich sollte ich glücklich sein.