
Was ist Angst?
Die Angst gehört unvermeidlich zu unserem Leben, sie begleitet uns von der Geburt bis zum Tode. Ohne Angst könnte der Mensch heute kaum leben, die Angst warnt uns und hält uns davon ab, unverantwortliche Risiken einzugehen. Zugleich mobilisiert sie Kräfte, sei es zur Abwehr oder zur Flucht. Im Laufe der Zeit sind die unmittelbaren Bedrohungen durch die Natur geringer geworden, vor allem für die Stadtmenschen unserer Gesellschaft. Kein gefährliches Raubtier bedroht uns mehr, in Deutschland wurden die meisten bedrohlichen Tiere bereits ausgerottet. Dafür kennen wir heute Ängste, die frühere Kulturen nicht kannten. Wir haben etwa Angst vor Krankheiten, vor Verkehrsunfällen, vor Bakterien oder vor Alter und Einsamkeit. Die Methoden der Bekämpfung von Angst haben sich mit der Zeit verändert - die Angst jedoch ist geblieben.
Ängste im Laufe des Lebens
Angst tritt häufig dort auf, wo wir uns in der Situation befinden, der wir nicht noch nicht gewachsen sind. Es gibt völlig normale, alters - und entwicklungsgemäße Ängste, die ein gesunder Mensch durchsteht und daran wächst, die Bewältigung dieser Ängste sind für die weitere Entwicklung wichtig.
Die ersten Schritte eines Kleinkindes, welches zum ersten Mal die haltende Hand der Mutter loslässt und die Angst vor dem Alleingehen verspürt, die Einschulung eines Kindes, welches sich in eine fremde Gemeinschaft fügen und behaupten muss, oder der Übergang vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen in der Pubertät. Der Berufsbeginn, die Gründung einer Familie, die Verantwortung des Elternwerdens, das Altern und die Begegnung mit dem Tod - die großen Übergänge in unserem Leben beinhalten auch Ängste, da sie mit körperlichen, seelischen oder sozialen Entwicklungsschritten zusammenhängen.
Solche Schritte erfordern stets, uns von etwas Gewohntem, Vertrauten zu lösen und uns ins Unbekannte, Unvertraute zu wagen.
Eine Grenze wird überschritten, ein neues Terrain wird betreten. Wenn dies gelingt, kann Angst auch als Motor für Veränderung gesehen werden.
Angst als Motor - oder Hemmung
Hat Angst auch positive Effekte? Ja, sie treibt die Menschen an. Ein mittleres Angstniveau steigert die Leistung ungemein und viele Errungenschaften der Menschen in Wissenschaft, Kunst oder Technik gehen auf Menschen zurück, die unter der Angst litten, nicht perfekt zu sein oder sich mit anderen Fehlannahmen ihrer Persönlichkeit auseinandersetzten. Angst kann aber oft auch hemmend wirken, sie kann sich verselbständigen und wird dann zur krankhaften Angststörung. Zum Beispiel, wenn man sich vor einer ungefährlichen Hausspinne übermäßig fürchtet. Das ist eine sogenannte einfache Phobie, weil man sich vor einer bestimmten Sache fürchtet. Einfache Phobien gehören zu den häufigsten Ängsten. Gefolgt von sozialen Ängsten, Panikattacken und generalisierter Angst.
Kulturelle Bewältigung
Die Menschen haben stets versucht Ängste zu bewältigen, zu überwinden oder zu verkleinern. Religion, Philosophie, Magie oder Wissenschaft sind einige Institutionen, die zur Bewältigung von existentiellen Ängsten genutzt werden, Ängste zu ertragen und sie für unsere Entwicklung fruchtbar zu machen.
Jedoch bleibt es wohl eine Illusion zu glauben, dass wir ein Leben ohne Angst leben können. Es wurden Methoden und Techniken entwickelt, sie zu vermeiden, sie zu verdrängen, sie zu betäuben, zu überspielen oder zu leugnen. Aber wie der Tod stets allgegenwärtig ist, so ist es auch die Angst. Was jedoch nicht heißt, dass wir uns, in einem gesunden Zustand, ihr dauernd bewusst wären.
Neue Erkenntnisse der Hirnforschung
Bisher wurde angenommen, dass krankhafte Befürchtungen und Ängste erlernte Störungen sind, die als Ergebnis von Lebenserfahrungen entspringen. Jüngste Erkenntnisse der Hirnforschung lassen jedoch vermuten, dass sich Angststörungen möglicherweise auch/oder auf eine zugrunde liegende Hirnstörung zurückführen lassen. Zwei wesentliche Formen von Angststörungen sind die Panikstörung und die generalisierte Angststörung. Bei der Panikstörung leidet der Betroffene unter plötzlich einsetzenden, schrecklichen Angstanfällen, die unvermittelt und in Episoden auftreten. Die Symptome der Panikstörung sind rascher Herzschlag, geweitete Pupillen, schweißnasse Haut, Übelkeit, Würgen, Benommenheit, das Bedürfnis zu urinieren und das Gefühl des drohenden Todes. Die Aktivität des sympathischen Nervensystems, welches dem Muster des Urinstinkts "Kämpfen und Fliehen" entspricht, schießt hoch, ebenso wird das Stresshormon Cortisol freigesetzt. Die generalisierte Angststörung besteht in einem anhaltenden Gefühl von Furcht und Angst, welches nicht an eine Situation oder ein auslösendes Ereignis gebunden ist. Bei beiden Störungen besteht die Vermutung, dass ein signifikanter Vererbungsfaktor besteht. Im Rahmen der Befragung von Menschen in klinischen Studien zeichnete sich ab, dass bis zu 40% der Verwandten ebenfalls an einer Angststörung litten. Verlockend zeigte sich die Folgerung, dass die Störung im Familiensystem erlernt sei, dies wurde jedoch durch Zwillingsstudien widerlegt.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Psychotherapie in ihren unterschiedlichsten Formen hat sich als wichtigste Möglichkeit zur Angstbekämpfung bewährt, sie erforscht die Zusammenhänge der individuell-familiären und kulturell-gesellschaftlichen Bedingungen, und deckt die Angstentwicklung beim Betroffenen auf. Sie ermöglicht eine Konfrontation mit der Angst und regt ein Nachreifen verschiedener Persönlichkeitsanteile an. Es können Techniken der Symptombewältigung vermittelt werden, um die Angst in den Griff zu bekommen. Zeitgleich sollte eine Ausschlussdiagnose organischer Ursachen durch den Haus - oder Facharzt vorgenommen werden, da eine Angsterkrankung auch körperliche Ursachen haben kann.
Weiterführende Literatur: Richard Thompson - Das Gehirn, Von der Nervenzelle zur Verhaltenssteuerung, 3.Auflage
Fritz Riemann - Grundformen der Angst